Cannabis Cryptic Virus (CanCV) – Was steckt hinter dem „verborgenen“ Virus im Hanf?
Das Cannabis Cryptic Virus (CanCV) ist ein ungewöhnlicher Vertreter unter den Pflanzenviren. Anders als klassische Krankheitserreger verursacht es keine Symptome und wurde lange Zeit übersehen. Erst moderne Sequenzierungsverfahren machten es sichtbar – und die Ergebnisse überraschen: Fast alle untersuchten Hanfpflanzen weltweit sind mit CanCV infiziert.
Allgemeine Informationen
- Name: Cannabis Cryptic Virus (CanCV)
- Taxonomische Einordnung: Familie Partitiviridae, Gattung Betapartitivirus
- Genom: Doppelsträngige RNA (dsRNA), segmentiert (2 Segmente)
- Virionen: Isometrische Partikel, ca. 30–40 nm, nicht stabil außerhalb von Zellen
- Besonderheit: Symptomlos, vollständig latent
Verbreitung und Übertragung
CanCV gehört zu den persistenten Pflanzenviren, das heißt:
- Keine mechanische Übertragung: Weder durch Werkzeuge, Kontakt, Saft noch Pfropfung
- Keine Insektenvektoren: Keine Übertragung durch Blattläuse, Thripse etc.
- Keine horizontale Ausbreitung: Kann sich nicht zwischen Pflanzen verbreiten
- Ausschließlich vertikal vererbt: Übertragung erfolgt nur über Samen oder vegetativ vermehrte Zellen
Studien zeigen, dass 100 % der Nachkommen infizierter Pflanzen ebenfalls CanCV tragen – unabhängig davon, ob der männliche oder weibliche Elternteil betroffen war.
Symptome
CanCV verursacht keine sichtbaren Krankheitssymptome. Das Virus repliziert in den Zellen seines Wirts, ohne dessen Wachstum, Entwicklung oder Ertrag zu beeinträchtigen. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass CanCV in Cannabis zu:
- Blattveränderungen
- Wuchshemmung
- Blütenminderung
- Harzverlust
- oder Qualitätsabfall führt
Deshalb wurde es lange Zeit gar nicht als Pathogen erkannt, sondern gilt inzwischen als „passiver Mitbewohner“ der Pflanze.
Bedeutung für Hobbyzüchter
Für den privaten Anbau spielt CanCV praktisch keine Rolle, da es weder Schaden verursacht noch übertragen werden kann. Trotzdem ist es wissenschaftlich hochinteressant:
- CanCV ist weltweit verbreitet, besonders in alten Genetiken
- Es könnte ein Überbleibsel jahrzehntelanger Co-Evolution zwischen Virus und Hanf sein
- Einige Hypothesen vermuten sogar eine schützende Wirkung („cross protection“) gegen andere, schädlichere Viren – dies ist aber noch nicht bewiesen
Da CanCV nicht entfernbar ist (außer durch meristematische In-vitro-Kultur), wäre es für Hobbyzüchter völlig unnötig, gegen dieses Virus vorzugehen.
Nachweis
CanCV lässt sich nur durch molekularbiologische Verfahren feststellen:
- RT-PCR auf dsRNA mit CanCV-spezifischen Primern
- dsRNA-Extraktion und Gelseparation
- Next-Generation Sequencing (NGS) bei Viromanalysen
Schnelltests, ELISA oder andere Routinemethoden existieren nicht, da eine Diagnose im Alltag keinen praktischen Nutzen bringt.
Management und Prävention
Da CanCV nicht schädlich ist, gibt es keinen Handlungsbedarf. Dennoch:
- Wer Virusfreiheit auf genetischer Ebene anstrebt (z. B. Zuchtprogramme), müsste auf meristematische Klonung oder Gewebe-Kulturverfahren zurückgreifen
- Da CanCV in nahezu allen Hanfsamen weltweit vorkommt, ist es nicht sinnvoll vermeidbar
- Selbst in zertifiziertem Saatgut ist es wahrscheinlich enthalten – allerdings irrelevant
Fazit
CanCV ist kein schädliches Virus im eigentlichen Sinne, sondern eine Art „zelluläres Fossil“ – ein Überbleibsel alter Virus-Wirt-Beziehungen. Für Hobby-Grower hat es keine praktische Bedeutung und kann bedenkenlos ignoriert werden. Der Begriff „Cryptic“ ist dabei wörtlich zu nehmen: verborgen, unsichtbar und still.
Quellen
- Ziegler, A. et al. (2012): Complete sequence of a cryptic virus from hemp (Cannabis sativa). Archives of Virology 157(2):383–385
- Miotti, N. et al. (2023): A Guide to Cannabis Virology. Viruses 15(7):1532
- Righetti, L. et al. (2018): Not the one, but the only one: About Cannabis cryptic virus. Eur J Plant Pathol 150(2):575–588
- ICTV – International Committee on Taxonomy of Viruses: Partitiviridae – Betapartitivirus